Interview mit der Studienleitung

Prof. Dr. Thomas Eikmann und Dipl.-Ing. Anja zur Nieden. Quelle: Doebbeling

Die Gesamtleitung der Blutdruckstudie hatte Prof. Dr. Thomas Eikmann, die Durchführung verantwortete die Gesundheitswissenschaftlerin Dipl.-Ing. Anja zur Nieden, MPH, vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin im Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Es gibt einige durchaus ernst zu nehmende Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass Verkehrslärm negative Folgen für den Blutdruck hat. Die NORAH-Blutdruckstudie kann diesen Zusammenhang nicht nachweisen. Hat Sie das Ergebnis überrascht?


Thomas Eikmann: Die Studien gibt es. Aber es gibt auch genauso ernst zu nehmende Studien, die vergleichbare Ergebnisse ermittelt haben. Außerdem sind nicht alle Studien uneingeschränkt miteinander vergleichbar, weil sie zum Teil unterschiedliche Methoden verwendet haben. Die NORAH-Blutdruckstudie hat gegenüber anderen Studien viele Stärken: Die Teilnehmer haben drei Wochen lang jeden Tag ihren Blutdruck gemessen. Aus diesen Messungen wurde dann ein Mittelwert gebildet. Das ist eine deutlich bessere Datengrundlage, als wenn punktuell eine Messung vorgenommen wird, und die vielleicht auch noch in einer Stresssituation. Und wir haben für die NORAH-Studie adressgenaue Lärmdaten. Wir wissen also genau, wie die Lärmbelastung für jeden einzelnen aussieht. Wir können demnach guten Gewissens sagen, dass diese Studie gut gemacht ist.


Insgesamt konnten Sie keinen statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen den Blutdruckwerten und dem Verkehrslärm herstellen. Allerdings zeigt Ihre Studie auch, dass es bestimmte Gruppen gibt, die besonders empfindlich auf Fluglärm reagieren. Welche gesundheitlichen Konsequenzen hat dies für die Betroffenen?


Thomas Eikmann: Wir haben festgestellt, dass es Unterschiede in den Blutdruckwerten zwischen bestimmten lärmsensiblen Gruppen und den anderen Studienteilnehmern gibt. Zu diesen lärmsensiblen Gruppen zählen zum Beispiel diejenigen, die an Bluthochdruck leiden und Menschen, die noch nicht so lange an der Wohnadresse wohnen. Diese Unterschiede zu den 'nicht-sensiblen' waren aber sehr klein und statistisch nicht signifikant.


Sie haben im Laufe der Studie zusätzliche Teilnehmer für die Studie rekrutiert. Die sind aber nicht in die Auswertung eingeflossen. Warum nicht?


Anja zur Nieden:
Das hat methodische Gründe. Bei der ursprünglich geplanten Rekrutierungsmethode haben sich weniger Teilnehmer gemeldet als im Studienkonzept vorgesehen war. Bei epidemiologischen Feldstudien dieser Art, insbesondere mit einem solch hohen Aufwand für die Teilnehmer, kommt das vor und ist nicht unbedingt kalkulierbar. Deshalb haben wir uns zu einer Nachrekrutierung entschlossen. Dabei können aber immer Verzerrungen in der Zusammensetzung auftreten. Das haben wir geprüft und leider feststellen müssen, dass die Zusammensetzung der drei Stichproben sich in vielen Merkmalen unterscheidet. Deshalb mussten wir uns für die Beantwortung unserer Studienfrage methodisch sauber auf die erste Teilgruppe beschränken, die im Übrigen genug Aussagekraft hat.


Ist mit der NORAH-Blutdruckstudie die Frage, ob Fluglärm eine Auswirkung auf die Blutdruckwerte hat, abschließend beantwortet?


Anja zur Nieden: Für einen Wissenschaftler gibt es keine Frage, die abschließend beantwortet ist. Wir haben mit dem Blutdruck, ermittelt aus mehrwöchigen Selbstmessungen, einen medizinischen Parameter genommen, der relativ robust ist. Also gehe ich erst einmal davon aus, dass die Ergebnisse valide sind. Aber auch wenn die Ergebnisse der Studie doch recht klar scheinen, kann es sinnvoll sein, diese Gruppe der lärmempfindlichen Menschen noch einmal genauer zu untersuchen. Außerdem könnte man sich die Daten unter Berücksichtigung der subjektiven Lärmbelästigung, des Wohlbefindens und der Lebensqualität aus den anderen Untersuchungen der NORAH-Studie anschauen. Dann ließe sich zeigen, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen diesen Parametern und dem Blutdruck gibt.

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