Interview mit Studienleiter Dr. Uwe Müller: „Das Herz will sich in der Nacht ausruhen“

Dr. Uwe Müller. Quelle: Schmitt/DLR

NORAH Wissen: Herr Dr. Müller, was brauchen Menschen, um gut zu schlafen?


Müller:
Ganz wichtig ist eine dunkle und ruhige Umgebung. Sie sollten bequem liegen und von den Sorgen des Alltags abschalten können. Hilfreich ist es, immer zur ungefähr gleichen Zeit und mit dem gleichen Ablauf zu Bett zu gehen. Außerdem wissen wir aus der Forschung, dass das Licht am Abend eher gedämpft sein sollte, damit das Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet werden kann.


A propos „die Sorgen des Alltags“: Sorgen spielen ja auch bei NORAH eine Rolle. Menschen, die den Flugverkehr eher negativ sahen, schliefen schlechter. Haben sie eine Erklärung dafür?


Nein, das ist wie bei Henne und Ei. Wir können anhand des Studiendesigns von NORAH nicht feststellen, was zuerst da war. Trotzdem ist der Zusammenhang eindeutig: Menschen, die objektiv schlechter schlafen, bewerten in der Regel auch den Fluglärm oder den Flughafen eher negativ.


Die NORAH-Teilnehmer schliefen besser als Studienteilnehmer vor zehn Jahren im Köln/Bonner Raum. Trotzdem fühlen sie sich stärker vom Fluglärm belästigt. Wie passt das zusammen?


Da decken sich unsere Ergebnisse mit denen der NORAH-Lebensqualitätsstudie. Auch dort zeigt sich, dass sich die Menschen heute stärker von Fluglärm belästigt fühlen als vor einigen Jahren. Die Belästigung hängt eben nur zum Teil von der Lärmbelastung ab. Daneben spielen auch nicht-akustische Faktoren eine Rolle – zum Beispiel könnte mangelndes Vertrauen in Behörden oder in die Mitteilungen des Flughafens einen Einfluss haben. Ob das in diesem Fall so war, wissen wir nicht. Ich halte es aber für plausibel, dass die Antworten der Lebensqualitätsstudie auch auf unsere Teilnehmenden zutreffen.


Welche Ergebnisse haben Sie besonders überrascht?


Ich war gespannt, ob sich die Aufwachwahrscheinlichkeit in Frankfurt nach Einführung der Kernruhezeit von den Ergebnissen der Köln/Bonner Studie unterscheiden würden. In Köln/Bonn gab es ja damals einen durchgehenden Nachtflugbetrieb. Es gibt moderate Unterschiede, die aber aufgrund unterschiedlicher Studienbedingungen sehr vorsichtig interpretiert werden müssen. Für mich ist das Ergebnis ein weiteres Indiz dafür, dass wir in Deutschland im Fluglärmgesetz zur Bestimmung der nächtlichen Schutzzonen endlich von rein physikalisch-akustischen Größen hin zu physiologischen Größen wie etwa der Aufwachreaktion kommen müssen. Und mich hat gefreut, dass die „vegetativ-motorische“ Methode so gut funktioniert. Sie misst zwar nicht die Aufwachreaktionen, man kann aber erkennen, wann der Herzschlag aufgrund von Lärm beschleunigt, auch wenn es gar nicht zum Aufwachen kommt. Die Methode ist also sensitiver als die alleinige Berücksichtigung der Aufwachreaktion. Möglicherweise haben wir damit sogar eine von möglichen weiteren Erklärungen dafür gefunden, wie nächtlicher Fluglärm das Herz-Kreislauf-Risiko erhöhen könnte. Ob das tatsächlich so ist, müssen aber zukünftige Studien klären.


Wie sähe denn dieser Zusammenhang aus?


Die „vegetativ-motorische“ Methode misst Herzfrequenzbeschleunigungen und Körperbewegungen. Das Herz will sich in der Nacht ausruhen. Wir haben aber herausgefunden, dass Überflüge diese Ruhe unterbrechen und den Herzschlag beschleunigen. Das könnte dazu führen, dass sich nach langjähriger Lärmexposition Herz-Kreislauf-Erkrankungen einstellen.


Wie gut haben Sie selbst eigentlich während der NORAH-Studie geschlafen?


Ganz unterschiedlich! Zum Beispiel war der Stress in den Sommern 2011 und 2012 hoch, das wirkte sich auch auf den Schlaf aus. Ich war damals vor Ort, um Studienteilnehmer zu gewinnen und Voruntersuchungen durchzuführen. Ich finde es sehr wichtig, persönlich vor Ort zu sein. Es ist etwas völlig anderes, am Schreibtisch Lärmkarten zu studieren oder den Lärm selbst zu erfahren. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal meinen ganz herzlichen Dank allen Versuchspersonen der Schlafstudie für ihr Interesse, ihre Geduld und Ausdauer und ihren Zeitaufwand aussprechen! Und mein Dank gilt auch bei den Mitarbeitern und Studierenden der Universität Gießen, die uns durch die Betreuung der Studienteilnehmer abends und morgens vor Ort entscheidend unterstützt haben, sowie den Kollegen von der University of Pennsylvania für die wertvolle und intensive Zusammenarbeit bei der Entwicklung der neuen Methodik.

Herr Dr. Müller, vielen Dank für das Gespräch!

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