Verkehrslärm erhöht das Herzinfarktrisiko
Der akute Herzinfarkt ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Über 50.000 Menschen sterben hierzulande jedes Jahr an der Durchblutungsstörung des Herzmuskels. Viele Faktoren, die das Herzinfarktrisiko erhöhen, sind seit Jahren bekannt, darunter Bluthochdruck, starkes Übergewicht und mangelnde Bewegung. Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit nahegelegt, dass auch dauernder Verkehrslärm die Wahrscheinlichkeit erhöht, einen Herzinfarkt zu erleiden. Dieser Frage ist die Studie zu Krankheitsrisiken mit höherer Präzision als viele frühere Untersuchungen nachgegangen – unter anderem mit genaueren Lärmberechnungen.
Das Herzinfarktrisiko in Zahlen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten nun mit NORAH bestätigen, dass Verkehrslärm ein Herzinfarktrisiko darstellt:
- Wenn der 24-Stunden-Dauerschallpegel des Straßenlärms um zehn Dezibel zunimmt, erhöht sich das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, um 2,8 Prozent.
- Pro zehn Dezibel Schienenlärm-Dauerschallpegel erhöht sich das Herzinfarktrisiko um 2,3 Prozent.
- Beim Fluglärm findet sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem gleichmäßigen Lärmzuwachs und einem Herzinfarkt. Allerdings waren weniger Menschen im Untersuchungsgebiet lautem Fluglärm ausgesetzt: Nur bei etwa zwei Prozent der Personen im Untersuchungsgebiet lag der Fluglärm-Dauerschallpegel über 55 Dezibel, bei niemandem überstieg er 65 Dezibel. Zum Vergleich: Der Straßenlärmpegel lag bei 26 Prozent der Versicherten über 55 Dezibel, der Schienenlärm bei sieben Prozent der Personen. Daher ist es beim Fluglärm schwieriger, den Risikoverlauf abzubilden.
Verstorbene Herzinfarktpatienten: Zusammenhang zu Fluglärm entdeckt
Herzinfarkte enden nicht selten tödlich. 53 Prozent der Versicherten, die laut der Krankenkassendaten zwischen 2005 und 2010 einen Herzinfarkt erlitten hatten, waren 2014/15 bereits verstorben. Allerdings war dem NORAH-Team nicht bekannt, woran die Versicherten gestorben waren. Für diese Teilgruppe führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gesonderte Analysen durch. Dabei konnten sie bei den Betroffenen einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Fluglärmbelastung und dem Herzinfarktrisiko entdecken – unter anderem wenn der 24-Stunden-Dauerschallpegel an ihrer Adresse bei 60 Dezibel oder darüber lag. Bei zehn Dezibel Fluglärmzuwachs stieg das Risiko für einen tödlich verlaufenden Herzinfarkt um 3,2 Prozent. Auch beim Straßen- und beim Schienenlärm fanden sich ähnlich hohe Risiken. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Verkehrslärm nicht nur ein Risiko für das Auftreten, sondern auch für den schwereren Verlauf eines Herzinfarktes sein könnte.
Lesehilfe Infografiken
Die Studie zu Krankheitsrisiken erforscht, ob bei steigender Lärmbelastung das Risiko steigt, eine der fünf untersuchten Krankheiten zu entwickeln. Die Ergebnisse ihrer Forschung geben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Form sogenannter Expositions-Wirkungs-Kurven wieder.
1 | Dauerschallpegel
Diese Achse zeigt den Dauerschallpegel an. Von links nach rechts nimmt der Lärm zu. Für einige Berechnungen legten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch „Schallpegelklassen“ zugrunde. Lag zum Beispiel der Dauerschallpegel an der Adresse eines Versicherten bei 63,7 Dezibel, dann flossen seine Gesundheitsdaten in die Berechnungen für die Schallpegelklasse „≥60 dB – <65 dB“ ein.
2 | Risikoschätzer
Risikoschätzer geben an, wie hoch das „relative Erkrankungsrisiko“ ist. 1 entspricht gewissermaßen dem „Grundrisiko“ eines Menschen, der nicht durch Verkehrslärm belastet ist. Liegt der Wert höher, deutet das darauf hin, dass Lärm dieser Größenordnung zur Erkrankung beitragen kann. Zusätzliche Berechnungen müssen zeigen, ob ein erhöhtes oder erniedrigtes relatives Risiko statistisch signifikant und somit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufällig zustande gekommen ist.
3 | Expositions-Wirkungs-Kurve
Die Expositions-Wirkungs-Kurve gibt an, wie sich mit zunehmendem Lärm das Krankheitsrisiko verändert. In diesem Beispiel steigt pro zehn Dezibel das Risiko um 2,8 Prozent. Zusätzliche Berechnungen zeigen, ob diese Steigung statistische Signifikanz besitzt.
4 | Konfidenzintervalle
Das Konfidenzintervall ist ein statistisch errechneter Vertrauensbereich ober- und unterhalb des Risikoschätzers. Je kleiner das Konfidenzintervall ist, desto zuverlässiger und aussagekräftiger ist der Risikoschätzer. Üblich ist die Angabe eines 95- Prozent Konfidenzintervalls. Das bedeutet – vereinfacht gesagt –, dass das „tatsächliche“ Risiko mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit innerhalb dieses Bereiches liegt. Die Grafiken zeigen sowohl die 95-Prozent-Konfidenzintervalle der einzelnen Risikoschätzer an (schwarze senkrechte Linien) als auch das 95-Prozent-Konfidenzintervall ober- und unterhalb der Expositions-Wirkungs-Kurve (rosa Bereich).