Die Auswirkungen von Fluglärm auf das Lesenlernen

Fluglärm wirkt sich auf die Leseleistungen von Kindern aus, die sich in der Phase des Lesenlernens befinden. Der Zusammenhang ist linear: Je stärker die Belastung, desto stärker ist die Entwicklung beeinträchtigt. Bei den untersuchten Zweitklässlern verzögerte eine Zunahme des Dauerschallpegels um 10 Dezibel (A) das Lesenlernen um einen Monat.
Eine Zunahme des Dauerschallpegels um 20 Dezibel (A) führte durchschnittlich zu einer Verzögerung von zwei Monaten. Für das Untersuchungsgebiet der NORAH-Studie heißt das: In den am stärksten von Fluglärm betroffenen Gebieten liegt der Rückstand bei etwa zwei Monaten.
Was beeinflusst das Lesenlernen noch?
Die NORAH-Studie hat nicht nur die Auswirkungen des Fluglärms auf das Lesenlernen untersucht, sondern auch weitere Faktoren, deren Einfluss auf das Lernen bekannt ist – etwa die Deutschkenntnisse oder die Anzahl der Kinderbücher im Haushalt. Nur so war es möglich, genau zu bestimmen, wie stark Fluglärm auf das Lesenlernen wirkt. Mit diesen Daten konnten die Wissenschaftler auch zeigen, dass sich einige der in der Studie untersuchten Faktoren stärker als Fluglärm auf das Lesenlernen auswirken. Zum Beispiel waren Kinder, die viele Bücher besitzen, den Kindern ohne eigene Bücher im Textlesen um vier Monate voraus. Dies lässt sich jedoch nicht direkt miteinander vergleichen, weil Eltern selbst entscheiden können, wie sehr sie ihre Kinder beim Lesenlernen fördern möchten. Auf den Fluglärm hingegen haben sie keinen Einfluss.

Links (Gesamt): Darstellung der Kurve innerhalb des Durchschnittsbereichs der Leseleitsung (40 bis 60 T-Wert-Punkte).
Rechts (Ausschnitt): Darstellung eines Ausschnittes zwischen 44 und 48 T-Wert-Punkten zur Verdeutlichung des Effektes. Ein T-Wert-Punkt entspricht in etwa einem Monat Unterschied im Lernfortschritt.
Bei Kindern mit Migrationshintergrund konnten die NORAH-Wissenschaftler keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Fluglärm und Lesenlernen feststellen. Dieses Ergebnis sollte aber nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen verleiten. Die Autoren der Studie vermuten, dass es durch einen statistischen Effekt zustande kommt: Möglicherweise überlagern sich bei dieser Teilgruppe so viele Faktoren, die einen Einfluss auf das Lesenlernen haben, dass es nicht mehr möglich war, Effekte des Fluglärms sicher nachzuweisen. Aus dem Ergebnis lässt sich keinesfalls folgern, Kinder mit Migrationshintergrund seien unempfindlich gegenüber Fluglärm.
Betrachtet man nur die Kinder ohne Migrationshintergrund, führte eine Zunahme des Dauerschallpegels um zehn Dezibel (A) zu einem Leserückstand von 1,5 Monaten. Das bedeutet, dass der Unterschied zwischen den am höchsten und den am geringsten belasteten Kindern im Untersuchungsgebiet drei Monate betrug.

Weiterhin unbekannt: die Gründe für den Leserückstand
Bisher konnte die Forschung nicht klären, auf welche Weise Fluglärm das Lesenlernen beeinträchtigt. Einige Wissenschaftler vermuteten, dass die Lärmbelastung auf die Entwicklung der so genannten Vorläuferfähigkeiten einwirkt – Fähigkeiten, die die Kinder schon vor dem Schuleintritt erwerben. Dazu gehören zum Beispiel die „Phonologische Bewusstheit“, mit der wir einzelne Laute in Wörtern erkennen, und ein gutes Hörverstehen. Diese These hat die NORAH-Studie überprüft. Das Ergebnis: Die Wissenschaftler konnten keinen Zusammenhang zwischen Fluglärm und den Vorläuferfertigkeiten finden.